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Wednesday, September 2, 2020

Göttingen: Häusliche Gewalt – Mann darf bleiben - hna.de

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„Wer schlägt, der geht“: So lautet die Maxime bei Fällen von häuslicher Gewalt. Seit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes 2002 kann die Polizei eine Person für bis zu 14 Tage der Wohnung verweisen.

Göttingen – Das gilt dann, wenn dies erforderlich ist, um eine von dieser Person ausgehende Gefahr für eine in derselben Wohnung wohnende Person abzuwehren. Was aber, wenn auch die zweite Person zur Gewalt neigt? Ein solcher Fall hat jetzt das Verwaltungsgericht Göttingen beschäftigt.

Ein Mann aus dem Landkreis Göttingen hatte dort vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Wegweisung beantragt – mit Erfolg: Das Gericht erklärte die von der Polizei ausgesprochene Verfügung für rechtswidrig, weil es sich um einen Fall von wechselseitiger Gewaltausübung handele. Es sei nicht feststellbar, wer von beiden den „größeren Anteil“ an der Gewalt habe, ob es der Antragsteller sei oder seine Lebensgefährtin (Aktenzeichen 1 B 229/20).

Beamte der Polizeiinspektion Göttingen hatten den Mann Mitte August bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt der Wohnung verwiesen. Nach Ansicht des Gerichts haben die Polizisten diesen aber nicht ordnungsgemäß angehört. So sei zwar im Einsatzbericht vermerkt, dass der Mann nach Ausspruch der Wegweisung unter Tränen erklärt habe, niemanden zu haben, zu dem er hingehen könne. Dieser Umstand sei jedoch nicht in den Entscheidungsprozess eingeflossen, rügte das Gericht.

Außerdem sei fraglich, ob die unzweifelhaft vorliegende Gefahr weiterer Körperverletzungen tatsächlich von dem Antragsteller ausgehe. Knapp zwei Wochen zuvor hatte die Polizei dort schon einmal einen Einsatz wegen häuslicher Gewalt gehabt. Die Beamten hatten aber nicht ihn, sondern seine Lebensgefährtin der Wohnung verwiesen, die eingeräumt hatte, dass sie ihrem Partner einen Tisch samt Aschenbecher entgegengeschleudert habe. Als er versuchte, den Angriff abzuwehren und sich ins Badezimmer zu flüchtete, habe sie ihn mit einem Staubsaugerkorpus geschlagen.

Auch bei dem zweiten Vorfall Mitte August habe zuerst die Frau ihren Lebensgefährten körperlich attackiert. Ihren eigenen Schilderungen zufolge sei sie „etwas ausgerastet“. Dass sie hinterher eine Beule am Kopf hatte, lässt sich nach Ansicht des Gerichts sowohl mit der Darstellung des Antragstellers als auch mit der Schilderung seiner Partnerin in Einklang bringen.

Der Mann hatte angegeben, dass die Frau bei einer von ihm ausgeführten Abwehrbewegung gegen den Türrahmen gestoßen sei. Die Frau gab dagegen an, dass er ihren Kopf absichtlich gegen die geflieste Badezimmerwand gestoßen habe. Außerdem habe er sie gewürgt. Dies hielt das Gericht nicht für glaubhaft, da sich keine Würgemale oder Rötungen feststellen ließen.

Somit war laut Gericht nicht feststellbar, wer den größeren Anteil an der ausgeübten Gewalt gehabt habe oder wer die größere Gefahr verursache. Dass der Antragsteller als Mann die stärkere und deshalb gefährlichere Person wäre, lasse sich jedenfalls nicht anführen, wenn die Frau – wie in diesem Fall – ihrerseits dazu neige, Gegenstände als „Hilfsmittel der Gewalt“ einzusetzen. In solchen Konstellationen entspreche es der Verhältnismäßigkeit, denjenigen Partner aus der Wohnung zu verweisen, dem dies eher zuzumuten sei.

Derartige Erwägungen hätten die Beamten vor Ort aber gar nicht angestellt, so das Gericht. (Heidi Niemann)




September 01, 2020 at 08:45AM
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